Ein kleiner Frieden

Martina Klusmeier

Komische Sache, das. Einfach die andere Backe auch noch hinhalten, wenn man eine Ohrfeige bekommen hatte. Das war vielleicht ne Einstellung. Würde ich nie tun. Also echt nicht!!

Benni kickte eine Coladose aus dem Weg und sah ihr nach, als sie mit mehreren Sprüngen über die Wiese hopste. " Spielen verboten!" stand auf einem Schild an der Wiese. Na wenn schon. Dann sollte der Typ, dem die Wiese gehörte, sich eben über die Coladose ärgern.

Die andere Backe hinhalten ... so ein Blödsinn! Als wenn eine Ohrfeige nicht schon genug weh täte. Da gab' s doch nun wirklich nur eins: kräftig zurückschlagen. Klar doch. - Na ja, und hoffen, dass man der Stärkere war. Weil, sonst gab' s dann ja wieder eins auf die Backe, und dann musste man wieder ... Aber so war das eben!

"Na, wie war's? Hat's dir gefallen?" fragte Mama, die gerade mit ihm zusammen vor der Haustür ankam. Mama war wie üblich mit ihrer Arbeitstasche, einer Einkaufstüte und der kleinen Tina beladen.

"Mja .. ja, eigentlich schon." Benni opferte sich und nahm die kleine Schwester auf den Arm (hoffentlich sah es keiner!). "Puh, wir haben eine Rallye durch das Wäldchen gemacht, und in einem Affenzahn, sag ich dir. Und die haben eigene Skateboards da, die können wir nehmen. Und die Leute sind auch ganz okay, glaube ich."

"Lustig", Mama warf die Tasche schwungvoll in die Ecke und ihren Mantel gleich hinterher. "Da muss erst ein neuer Junge herziehen, um dich mitzuschleppen. Ich kann mich da doch irgendwie erinnern, dass ich dich schon ein paar Mal gefragt habe. Stimmt' s?"

"Ach .. na ja ..." - es war eben was anderes, ob der neue Kumpel einen mitnahm, oder ob die liebe Mutter einen schickte. Aber das konnte man seiner Erzeugerin ja schlecht sagen, oder?

"Sonst noch was?" bohrte eine neugierige Mutter weiter.

"Nee ... nur noch die Geschichte. Aber die war nicht so prall!"

"Erzähl."

"Ach, na ja ... da war dieser Typ, ist schon ziemlich lange her. Der hatte ne Menge Freunde, mit denen zog er herum. Und denen hat er dann wohl immer ne Menge Sachen erklärt. Heute z.B. kam ne Geschichte, wo er gesagt hat, wenn einen einer auf die eine Backe schlägt, dann soll man gefälligst die andere auch noch hinhalten. Voll beknackt, was?"

"Findest Du?" Mama goss ihnen beiden ein Glas Saft ein und ließ sich auf die Küchenbank fallen. "Wieso voll beknackt?"

"Oh Mensch, Mama!" - Echt Wahnsinn, was die Erwachsenen so alles nicht rafften! - "Stell dir doch mal vor, dieser Blödmann von Ron würde mir wieder mal eine knallen. Und dann bleibe ich brav stehen und sage: ey, danke. Noch mal, bitte. Cool, was? Nee, verzichte. Der kriegt eine zurück reinbeknallt, und damit gut."

"Und dann knallt er dir wieder eine rein, und dann du ihm, und dann er dir, und dann du ihm ... scheint mir auch nicht die klügste Lösung zu sein", gab Mama zu bedenken.

"Na, so ist das nun mal!" wiederholte Benni seine Einsicht vom Nachhauseweg entschieden und wechselte das Thema. Musst man ja schließlich nicht stundenlang drüber nachdenken, oder?

*

Roland schob die Zeitung weg und goss sich ein neues Glas Bier ein: "Da steht auch jeden Tag das Gleiche drin, Mensch! Krieg, Kriege, Kriege. Und wenn sie mal gerade nicht über Kriege schreiben, dann fallen sie übereinander her in der Politik. Was sitzen da eigentlich für Idioten in den Zeitungsredaktionen."

"Die erfinden die Meldungen doch nicht", warf Mama ein..

"Na und? Könnten doch auch mal was Nettes berichten."

"Wer fängt denn die ganzen Kriege immer an?" erkundigte Benni sich.

"Ach, keine Ahnung. Die finden immer was. Einer fängt an, der andere ballert zurück, dann kommt wieder der erste dran, dann wieder der Andere ... wer soll denn da noch durchfinden!"

"Kommt mir irgendwie bekannt vor", murmelte Benni.

*

Aber trotzdem ... ... nee, die andere Backe hinhalten, das war und blieb Schwachsinn!

* * *

Benni hatte es ziemlich eilig. Und deshalb konnte er auch gerade noch im letzten Moment stoppen, als Ron mit dem Roller um die Kurve gefegt kam.

"Aus dem Weg!" schrie Ron aufgeregt und versuchte der dicken Eislache auszuweichen, ohne Benni zu erwischen.

Natürlich schaffte er es nicht. Voll karacho sauste er auf die Eisfläche, das Hinterrad rutschte weg ... und Ron legte sich 1a auf die Nase.

Eine Weile war es still ...

Ron rappelte sich langsam wieder auf und rieb sich das Hinterteil.

Benni stand einfach nur da und musste plötzlich wieder an den Spruch vom Mittwoch denken.

"Was'n los?" fragte Ron schließlich. "Keine blöde Bemerkung dabei?"

"Nö", murmelte Benni und kam sich ein bisschen komisch vor. "Hast du dir wehgetan?" fragte er schließlich.

"Geht so." Ron betastete immer noch seine Knochen. "Scheint noch alles dran zu sein." Er betrachtete den City-Roller: "Scheiße. Voll im Eimer."

Benni starrte auf das verbogene Teil. "Nee, nicht voll im Eimer. Das kriegt der Freund von meiner Erzeugerin bestimmt wieder hin. Der macht irgendwas in Metall, so was kann der."

"Würd'ste das tun?" Ron sah so aus, als ob er nicht glaubte, was er hörte.

"Klar. - Ich hab ja auch blöd im Weg rumgestanden."

"Konnt'ste doch nichts für, dass du da gestanden hast." Ron bückte sich und hob vorsichtig den beschädigten Roller auf. "Willste noch mitkommen?" fragte er.

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