Wollen wir Freunde sein, Hannibal?

Majorie Newman

Hannibal, der kleine Elefant, sitzt traurig am Fluss. Da kommt Niko, der kleine Affe, vorbei.
"Hallo, Hannibal!", ruft Niko. "Ganz allein?"
"Ja", seufzt der kleine Elefant.
"Das bin ich auch", sagt Niko. "Lass uns Freunde sein."
"Dann bist du mein  erster Freund. Ich hatte noch keinen", sagt Hannibal.
"Ich schon. Ganz viele!", verkündet Niko. "Warum kommst du nicht mit zu mir nach hause? Du könntest bei mir wohnen."
"Machen das Freunde so?" fragt Hannibal.
"Aber klar!", ruft Niko.

Nikos Haustür ist ziemlich klein - viel zu klein für einen kleinen Elefanten.
"Ooooh!", ruft Hannibal, als er versucht, trotzdem durch die Tür zu gehen.
"Uuuff!", stöhnt Hannibal.
"Auuutsch!", schreit Hannibal. "Ich stecke fest!"
"Du bist lustig", kichert Niko. Er kugelt sich vor Lachen. Er kommt überhaupt nicht auf die Idee, Hannibal zu helfen.
Niko schaltet das Rakio ein. Die Musik ist laut.
"Komm, wir tanzen!", ruft Niko.
"Machen Freunde das?" fragt Hannibal.
"Aber klar!", trällert Niko. "Los!"
"Owei!" ruft Hannibal, als Niko ihn umherwirbeln will.
"Uiiih!", quietscht Hannibal.
"Ahhh! Ich kann nicht tanzen!", schreit Hannibal.
"Du bist zu komisch!", ruft Niko und tanzt auf einem Bein herum. Er kommt überhaupt nicht auf die Idee, Hannibal zu helfen.

"Heute Abend gibt es Rührei mit Toast", verkündet Niko.
"Ich mag kein Rührei mit Toast", sagt Hannibal.
"Ich schon!", ruft Niko. "Du kochst, und dann essen wir zusammen."
"Machen das Freunde so?", fragt der kleine Elefant.
"Aber klar!", versichert Niko.
"Hey!", ruft Hannibal, als er das erste Ei in die Pfanne schlägt.
"Igitt!", schreit Hannibal, als das zweite Ei auf den Boden fällt.
"Oooch!", mault Hannibal. "Ich kann nicht kochen."
"Du bist wirklich zum Kringeln", kichert Niko und setzt sich an den Tisch. Er kommt überhaupt nicht darauf, Hannibal zu helfen.

"Schlafenszeit!", verkündet Niko. "Du kannst heute Nacht hier bleiben und in meinem Sessel schlafen."
"Machen das Freunde so?", fragt Hannibal und versucht, es sich im Sessel bequem zu machen.
"Aber klar!", gähnt Niko.
"Uuugh!", ächzt Hannibal.
"Hilfe!", schreit Hannibal. "Ich falle runter!"
Niko zuckt nicht mal mit der Wimper. Er schläft tief und fest. Und er schnarcht, dass die Wände wackeln.

Hannibal schläft die ganze nacht nicht eine Minute. Obwohl er sich Watte in die Ohren stedckt.

Am nächsten Morgen wacht Niko früh auf.
"Los, komm, Hannibal", ruft er fröhlich. "Wir gehen klettern."
"Ich mag nicht klettern gehen. Schon gar nicht vor dem Frühstück!", brummt Hannibal müde.
"Aber ich!", sagt Niko. "Los, komm schon, wir gehen zusammen."
"Machen das Freunde so?", fragt Hannibal.
"Natürlich!", sagt Niko und zieht seine Jacke an.

Draußen ist es kühl. Hannibal fröstelt.
"Beeil dich, Hannibal!", ruft Niko. "Ich habe einen tollen Kletterbaum entdeckt!"
"Machen das Freunde so?", fragt Hannibal.
"Aber klar!", kreischt Niko. Er turnt schon hoch oben in den Ästen herum. Langsam klettert Hannibal auf den Baum KRAAACKS! macht der Ast. RRRUUUUMS! macht der kleine Elefant.
"Aaahhh!", schreit Hannibal.
"Aaauuutsch!", schreit Hannibal.
"Oooh!", stöhnt Hannibal. "Ich kann nicht klettern."

Jetzt kommt Niko auch vom Baum herunter.
"Oh!", sagt Niko.
"Ähem -!", flüstert Niko.
"Ach, du meine Güte", murmelt Niko und starrt in ein riesig tiefes Loch. Der kleine Elefant ist nirgensds zu sehen. Niko ist ganz allein.

Ein wenig entfernt sitzt Hannibal am Ufer. Er ist truarig. Und allein.
Niko kommt vorbei.
"Oh, da bist du ja, Hannibal", sagt Niko.
"Lass mich in Ruhe!", grollt Hannibal.
Niko ist ganz still ...  "Du, Hannibal", sagt er dann leise. "Weißt du noch? Ich hab gesagt, ich habe viele Freunde."
"Ja, und?", brummt der kleine Elefant.
"Na ja", murmelt Niko: "Keiner davon ist lange mein Freund geblieben."
Hannibal sagt nichts. Niko sagt nichts. Sie denken nach.
"Hannibal", sagt der kleine Affe nach einer Weile, "meinst du, ich hab was falsch gemacht?"
"Wieso?", fragt der kleine Elefant.
"Hannibal", sagt Niko. "Vielleicht machen Freunde einfach viel zusammen ... und helfen sich ... und teilen ihre Sachen und so ..."
"Meinst du?", fragt Hannibal überrascht.
"Hannibal", sagt Niko. "Sollen wir noch einmal Freunde werden?"
"Machen das Freunde so?", fragt Hannibal.
"Bestimmt!", ruft Niko fröhlich. Und dann nehmen sich die beiden ganz fest in den Arm.

Na, das ist ja noch einmal gut gegangen. Verstehst du, warum der kleine Elefant weggelaufen war? Und was Niko dazu gelernt hat?

Ich glaube, der kleine Hannibal wusst gar nicht, was dass ist, einen Freund zu haben. Und deshalb wollte er alles richtig machen und alles tun, was Niko von ihm wollte. Aber das kann man gar nicht. Ein kleiner Elefant und ein kleiner Affe sind so unterschiedlich, dass sie überhaupt nicht immer ganz genau dasselbe tun wollen und können.
Bei Menschen ist das genau so. Jeder Mensch ist ein bisschen anders als alle anderen menschen. Und das darf man auch sein. Wenn du versuchtst, jemand anderen genau nachzumachen, genau so zu sein wie er, bist du gar nicht mehr du selbst. Und hinkriegen tust du das sowieso nicht. Hast ja gesehen, wie kläglich alles schiefgegangen ist, was der kleine Elefant nur deshalb machen wollte, weil Niko es so gesagt hat.

Und Niko? - Der wusste auch nicht, was es heißt, ein Freund zu sein! Wenn du einen Freund hast, dann seid ihr beide gleich viel wert. Und nicht nur einer bestimmt. Und nicht nur das, was einer mag, wird gemacht. Und Freunde lachen sich nicht kaputt, wenn dem anderen etwas schiefgeht.

Was der kleine Affe am Ende der Geschichte selbst merkt, ist ganz, ganz wichtig für Freunde: gemeinsam sein, einander helfen, teilen ... so kann eine Freundschaft wachsen und mit der zeit immer tiefer und schöner werden.

(Die Geschichte habe ich aus dem Buch: "Weil ich dich so mag" von Christina Stern, Brunnen-Verlag)

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